18. Juli: Vidin (BG) – Brza Palanka (SRB) 92 km
Wir erreichen Serbien. Die Landschaft ändert sich, die Beschilderung auch. Vor allem ändert sich das Strassenbild, so dass Jörg die serbischen Strassen später zum einem grossen Friedhof erklärt. Ein Kreuz reiht sich am Strassenrand an das nächste. Wenn Du über jedes Schicksal nachdenkst, dann wirst Du depressiv. Das Fahrverhalten der Serben ist allerdings entsprechend und bald wundern uns die vielen Todesopfer nicht mehr. Zum Glück war ein Mininum an Rücksicht gegenüber uns zu spüren.
In Serbien ist die EuroVelo6-Route beschildert. Welch ein Luxus!
19. Juli: Brza Palanka (SRB) – Donji Milanovac (SRB) 89 km
Im Rückblick ist dies der Tag mit der landschaftlich reizvollsten Strecke. Die Strasse ist super, es hat nur wenig Verkehr. Zuerst fahren wir am Wasserkraftwerk Djerdap II vorbei. Fotografieren verboten! Danach folgt die engste Stelle der Donau. Die Region nennt sich Eisernes Tor und von der Strasse verläuft sozusagen auf den Klippen am Ufer der Donau. Bei 35° macht das Fahren heute richtig Spass, denn es weht ein leichter kühler Wind und jedem mühsamen Anstieg folgt natürlich eine rasante Abfahrt. Unsere Velos wiegen ca. 35 – 40 kg inkl. Gepäck und mit uns oben drauf mehr als 100 kg. Da kriegst Du schon mal an die 60 km/h drauf!
Am Abend treffen wir Jochen aus Köln, der von der Donauquelle bis ins Delta fahren wollte. Wow! Wer alleine reist, legt täglich natürlich auch grössere Strecken zurück. Genau wie Ernst, aber auf den kommen wir später noch zu sprechen. Mit Jochen verbrachten wir einen sehr netten Abend bei Bier und Cevapi. Hmmmm.
20. Juli: Donji Milanovac (SRB) – Ram/Stara Palanka (SRB) 99 km
Es ist bewölkt und am Abend werden wir noch richtig nass, da die Fähre, mit der wir mal wieder über die Donau schippern, so etwas wie ein Floss für Autos ist. Diese Fähre ist mit Abstand die Abenteuerlichste von allen. Um einen halbwegs glatten Übergang von Schiff zu Land zu schaffen, schaufeln bei jedem Anlegen zwei Männer Sandkies an die Übergangsstelle. Da fahren auch LKWs drüber, kein Witz. Und dabei geht auch schon mal der ein oder andere Scheinwerfer zu Bruch, wie wir beobachten konnten. Nachdem wir ziemlich nass wieder an Land gehen, fragen wir in dem Restaurant direkt bei der Fähre nach einem Zimmer. Tatsächlich bekommen wir eins. Wieder verständigen wir usn mit Händen und Füssen. Nicht mal der Sohn des Hauses (geschätzte 17 Jahre alt) kann Englisch. Aber wir verhungern nicht und ein Bett bekommen wir auch.
Auf der Fähre kommen wir mit zwei anderen Veloreisenden ins Gespräch: Aleksandar and Milica. Sie erzählen uns von www.warmshowers.com und dass Sie schon oft Radreisende aus aller Welt beherbergt haben. Sie kommen aus Belgrad und es ist ihre erste gemeinsame Tour (1 Woche). Ihre Ausstattung ist minimal. Es stellt sich heraus, dass die Möglichkeiten zur Anschaffung einer Ausstattung wie unserer einfach nicht besteht, weder finanziell noch gibt es Velogeschäfte oder Outdoorläden, wie wir sie kennen. Unsere Begegnung bleibt mir noch lange in Erinnerung!
21. Juli: Stara Palanka (SRB) – Belgrad (SRB) 100 km
Jaaaaaaaaaaaa – die ersten 1000 km haben wir geschafft. In Belgrad ist quasi Halbzeit. Endlich bekomme ich meinen Pausentag. Wir gönnen uns ein nobles Hotel. Und gehen abends richtig schick essen. Toll! Belgrad gefällt uns sehr gut. Sehr nah bei der Fussgängerzone ist eine Festung, umgeben von einem grossen Park. Dort kann man wunderbar verweilen, lesen und dösen. In der Fussgängerzone gibt es viele Kaffees und Konditoreien mit hmmmmmmmm sehr, sehr leckeren Kreationen. Die Stadt ist sehr lebendig, abends sehen wir viele Familien mit kleinen Kindern und uns gefällt das Leben und die Gesellschaft.
22. Juli: Pausentag in Belgrad
Was uns noch auffällt, sind ein paar zerbombte Gebäude, die schon seit 20 Jahren so dastehen. Keiner finanziert den Abriss. Also lässt man sie.
23. Juli: Belgrad (SRB) – Novi Sad (SRB) 95 km
Belgrads Velowege aus der Stadt sind wirklich hervorragend. Mit Joggern teilen wir uns die Wege am Samstag morgen. Am Nachmittag erwischen wir mal wieder eine unbefestigte Strasse und poltern durch Schlammlöcher. Jörg ist ein Stück vor mir und schreit auf einmal: Willst du ein Bier? Bier?? Häh? Jetzt sehe ich den Mann, der „Bier“ ruft auch. Ein Bär von einem Mann ruft aus seinem Gärtli zu uns herunter. Na klar, die Einladung nehmen wir doch gerne an. Wir gehen den Weg zu seinem Sommersitz hinauf. Unter einem Dach steht eine rustikale Biergarnitur. Nach der Begrüssung, ein Kauderwelsch aus Brocken von englisch und deutsch sind wir nur noch „Schweizenski“, bekommen selbst gebrannten Schnaps, Brot, Wurst, Tomaten und natürlich auch Bier. Sein Kumpel verschwindet und kommt mit einer Melone wieder, die er uns schenkt. Das ist hier übrigens das Standardgeschenk, wie wir später erfahren. Der serbische Bär entpuppt sich als Doktor für ukrainische und ruthenische Literatur. Ein von ihm verfasstes Buch liegt gerade auf dem Tisch und er schenkt es uns. Mit Widmung. Wow! Auf jeden Fall hat er ein riesiges Herz und hätte noch gern, dass ich ihm meine Schwester schicke 😉 Wir verabschieden uns nach 2 Stunden mit einem Schwips und noch einem Geschenk, einer 2 Liter-Flasche Bier. Stevan werden wir nicht so schnell vergessen. Sehr beschwingt rollen wir nach Novi Sad und entkommen knapp ein Megagewitter.