Wir haben es wieder getan – Fans verpflichten

Panoramabild Passau

Nein, eigentlich wolle ich ja diesmal „nur“ Ferien machen und nichts schreiben. Dann hörte ich leise Töne „vielleicht gibt es ja wieder einen Reisebericht?“ Und so hab ich mich doch entschieden, ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Tatsächlich oldschool auf Papier, danach brav abgetippt. Papier im Juni – getippt im Dezember. Das ist doch mal schnell 😉

Chronologische Reiseberichte sind doof, finden wir. Aber das wissen unsere Leser ja. Darum werden wir wieder von besonderen Vorkommnisse und Reisebeobachtungen schreiben.

Das Stück dazwischen – Fernradweg Eurovelo 6

In Europa gibt es aktuell 16 Fernradwege (http://www.eurovelo.com/) . Bereits 2010 fuhren wir auf dem Eurovelo 6 von Othmarsingen zum Atlantik (https://carmen-joerg.ch/category/euro-velo-6-west/ ) . Das war unsere erste grössere Tour mit Zelt an Bord, jedoch noch ohne Küche. Ein Jahr später folgte die Tour vom Schwarzen Meer nach Wien, das wohl grösste Abenteuer bisher (https://carmen-joerg.ch/category/euro-velo-6-ost/) . Und jetzt 2019, also noch das Stück dazwischen.

Übrigens. Die Gesamtlänge des Eurovelo 6 vom Schwarzen Meer zum Atlantik beträgt ca. 4.632 km, einmal quer durch Europa von Ost nach West ( http://de.eurovelo.com/ev6 )

In den Tritt kommen

Die ersten beiden Reisetage sind die Anstrengendsten. Um zum Eurovelo 6 zu kommen, müssen wir via Brugg nach Waldshut und zum Rhein. Dort nehmen wir seine Spur wieder auf und fahren nach Schaffhausen. So sehe ich zum ersten Mal in meinem Leben den Rheinfall. Also sehen… viel zu viel Touris überall, ein kurzer Blick muss genügen. Schaffhausen gefällt uns ausgesprochen gut, aber wir haben doch keine Zeit – wir kommen wieder!

Quer über die Schwäbische Alb erreichen wir Tuttlingen, um ab nun dem Donauradweg zu folgen – bis Wien. Die Schwäbische Alb ist so wunderschön und jetzt im Juni ist alles grün und duftig und die Vögel geben zur akustischen Untermalung wirklich alles. Wir wussten gar nicht, wie schön es auf der anderen Rheinseite ist. Aber auch anstrengend. Die Höhenmeter sind nicht zu unterschätzen.

Sagenumwobene 2857 km Fluss

Die Donau ist nach der Wolga der zweitlängste Strom Europas (https://de.wikipedia.org/wiki/Donau) . Obwohl er sich zu Beginn offenbar nicht recht entscheiden kann, ob er nun ein grosser Fluss werden will oder nicht. An mehreren Stellen gibt es sogenannte „Versinkungen „ oder „Versickerungen“. Dort verschwindet das Wasser quasi im Nichts. Einfach so. Das dann folgende Bachbett bleibt meist für einen Teil des Jahres trocken. Später kommt die kleine Donau dann aber doch ganz gross raus. Sogar Lastschiffe befahren diesen spannenden Fluss. Jahrtausende alte Geschichte begleitet den Strom und uns auf Schritt und Tritt. Die Römer, die Kelten, die Stauffer, Adel und Klerus, sogar König Richard Löwenherz war hier unterwegs. Alle haben sie hier mehr oder weniger sichtbare Spuren hinterlassen. Wir könnten jeden Tag mehrere Attraktionen besichtigen. Wir beschränken uns aber auf einige wenige: Ulmer Münster, Passauer Dom, Kloster Melk, Schlosspark Schönbrunn. Dafür geben wir uns der lokalen Kulinarik hin und mischen uns hin und wieder unters Volk.

Unterwegs

Ein landschaftlich extrem schönes Stück ist der Donauradweg zwischen Tuttlingen und Sigmaringen. Auch zum Wandern können wir diesen Teil sehr empfehlen. Grüne, satte Matten, eine kleine, niedliche Donau, Felsformationen, Wald, ein Kloster und in den Orten leckeres Essen. Keine Autos weit und breit, Natur pur.

In Donauwört treffen wir Jenny und Bob. Sie sind aus Australien angereist, mit dem Rad und kleinem Gepäck. Wir schätzen ihr Alter auf ca. 55 bis 65 Jahre. Jenny hat noch nie länger als zwei Tage auf dem Rad gesessen. Nun radelt sie jeden Tag. Die zwei sind vor allem an der Europäischen Geschichte interessiert, die Ihnen so unglaublich alt und vielfältig erscheint. Die Australier können nicht auf eine so lange Geschichte zurückblicken.
Jenny und Bob erreichen Wien nur zwei Tage nach uns, jedoch haben sie keinen Tag Pause gemacht. Glückwunsch!

Ja, die Bayern

Irgendwie ist in Bayern alles gross: das Bier, die Bäuche, die Dorffeste, die Portionen. Apropos Essen: Also lecker ist die Bayrische Küche – keine Frage. Ich habe das Gefühl, dass es in ganz Bayern zu jeder Tages- und Nachtzeit nach Essen riecht. Zum Frühstück macht mich Schweinebraten ja ehrlich gesagt nicht so an. In Passau auf dem Aussichtspunkt des Oberhauses steigt uns bereits am Morgen um 10:30 Uhr ein kräftiger Küchengeruch in die Nase. Eben: in ganz Bayern riecht es immer nach Essen.

Die Städte sind herrlich: Straubing, Regensburg, Passau, Donauwörth und viele kleinere Orte sind ganz toll herausgeputzt und super gepflegt. Radreisenden wie uns macht es das Reisen so leicht.

Nur die elenden Kieswege auf und am Damm der Donau nerven. Es staubt, es raubt Energie, es ist laut. Kiesradeln erfordert definitiv mehr Aufwand als Asphaltradeln. Ab Passau haben wir dann die Qual der Wahl. Der Radweg geht auf beiden Seiten der Donau weiter. Was für ein Luxus. Auf manchen Reisen waren wir froh, wenn wir überhaupt irgendeinen Weg hatten.

Bayern ist übrigens auch ein Paradies für Camper. Die meisten Plätze sind ausgesprochen gepflegt und blitzesauber. Und für unser Hillebong (so haben wir unser Hilleberg-Zelt liebevoll getauft) gibt es überall es Plätzli.

Hüft-Kamasutra

Also gut – ich oute mich. Ich habe Hüfte. Mal mehr und mal weniger. In den ersten Tagen unserer Reise läuft meine rechte Hüfte nicht rund. Wenn wir morgens losradeln, fühlt es sich an, als würde das Gelenk bei jeder Pedalumdrehung innen festhängen, wie wenn ein Rad eine Acht hat. Um dieses Problem zu beheben, vollführe ich während der Fahrt auf dem ersten Kilometer des Tages lustige Verrenkungen und schaffe es, dabei nicht vom Velo zu fallen. Kamasutramässig eben, zumindest stelle ich es mir so vor. Das mache ich immer solange, bis es irgendwann kracht. Dann ist die Acht behoben und es läuft wie geschmiert. Bemerkenswert ist, dass dieses Problem nach den ersten Tagen verschwindet. Ganz gemäss meiner festen Überzeugung: Bewegung heilt. Und viel hilft ja bekanntlich viel. Also heilt viel Bewegung noch mehr.

Zeltauf- und abbau-Choreo

Beim Zeltauf- und abbau läuft in den Radferien mit Zeltübernachtungen bei uns alles immer „tupfgenauglich“ ab. Diese Routine haben wir über die Jahre entwickelt, verfeinert und sie hat sich bewährt. Kleinste Abweichungen, z.B. ein Nichtradeltag, bringen alles durcheinander.

Ein typischer Radelferienmorgen mit Zeltabbau sieht bei uns so aus (der Aufbau ist nicht so interessant):

Ich werde wach beim ersten Vogelgezwitscher (Uhrzeit Orts- oder Vogelabhängig): Pipi hinter dem nächsten Busch, nochmal in den Schlafsack kuscheln bis die Sonne ins Zelt scheint. Jörg wecken. Der zieht sich an und macht Kaffee und Frühstück. Währenddessen räume ich meine Sachen im Zelt zusammen. Anziehen. Waschen. Schlafsack, Kissen zusammenräumen. Luft aus der Matte lassen und sie zusammenrollen. Frühstücken. Geschirr spülen und Zähne putzen. In dieser Zeit räumt Jörg seine Sachen zusammen. Dann alles in die Radtaschen packen. Idealerweise sitzt jeder Handgriff und alles landet immer am gleichen Platz. Das ist aber natürlich nur selten der Fall. Darum wird es spätestens jetzt lustig: „Wo haben ich denn meine Socken?“ / „Hast Du meine Zahnbürste gesehen?“ / „Hast Du das Müesli schon eingepackt?“. Taschen auf, wühlen, Taschen zu. Taschen wieder auf, nochmal wühlen, wieder zu. Ist alles an seinem Platz noch das Zelt. Heringe raus, Stangen raus, Zelt ausschütteln, zusammenlegen. Verstauen. Radschuhe an, eincremen „Wo ist denn die Sonnencreme?“, Wasserflaschen füllen und dann geht es endlich los. Diese Choreo dauert so ca. 1.5 Stunden.
Besonders gern schauen wir aber anderen Radreisenden bei ihrer Choreographie zu. Das ist besser als jede Komödie.

Belohnung in Wien

Auf dem letzten Zeltplatz, ca. 15 km vor Wien, erzählt uns jemand, dass am nächsten Tag das jährliche Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker im Schlosspark vom Schloss Schönbrunn stattfinde. Dieses ist als Geschenk der Philharmonie an die Wiener zu verstehen und einen Art Volksfest. Eintritt frei.
Das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Angeblich pilgern ca. 80.000 bis 100.000 Menschen dorthin. So auch wir. Es ist wirklich ein grossartiges Erlebnis, auch wenn man von der Musik nicht so viel mitbekommt. Jörg ist vor allem von dem knappen Outfit der Pianistin fasziniert und ich komme gleich wieder mit jemand im Publikum ins Gespräch. Ein polnisches Pärchen, beide nach Wien ausgewandert. Spannende Geschichte. Während des Konzertes holt man sich einfach ein Bier oder eine Coke und Popcorn. So kommt Klassik doch mal ganz locker daher. Bei den Wienern es das nichts Steifes – diese Musik gehört einfach zum Leben dazu. Toll!

Wir bekommen nicht genug

Bereits auf der Rückreise mit dem Zug träumen wir schon wieder von neuen Radabenteuern… und so versprechen wir Euch heute: in 2020 gibt es wieder ein längeres Abenteuer. Von Bellinzona nach Kreta – per Velo – ist ja klar. Und wir werden schreiben – für Euch und für uns 😉

Wir freuen uns darauf!

WordPress Image Gallery Plugin

2 Kommentare bei „Wir haben es wieder getan – Fans verpflichten“

  1. Wow, vielen Dank für diesen tollen Reisebericht. Der Kaiserschmarrn
    sieht toll aus, den werde ich in den nächsten Tagen auch geniessen.
    Was auch noch auf dem Reiseprogramm steht: eine Donaufahrt, mit
    Schiff :-). Dann sehe ich mir diese schönen Städte (Passau, Kloster Melk)
    auch an, aber nicht per Velo :-). Liebe Grüsse. Vreni

    1. Grüss und Österreich und die Stadt der Musik. Und komm gesund wieder 🙂

Schreibe einen Kommentar